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Porträt

Ausbildung zum Coach

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«Es ist so cool, die Begeisterung für den Fussball weitergeben zu können.»

Beitragsinformationen

Veröffentlicht
16.6.2024
von
Sandra Plaza
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Claudia Gfeller und Rita Zbinden sind seit über 30 Jahren im Fussball-Business – und fördern beim Fussballverband Region Zürich (FVRZ) den Fussball für Mädchen und Frauen. Sie sprechen mit HERGAME über die Wichtigkeit von Frauen in der Fussballwelt, die WEURO 2025 als grosse Chance und skeptischen Väter am Spielfeldrand.

Rita Zbinden, du hast vor über 40 Jahren mit dem Fussballspielen angefangen, warst Trainerin und bist heute Präsidentin des Fussballverbandes der Region Zürich. Woher kommt die Begeisterung für Fussball?

Rita Zbinden: Ganz klar von meinem Vater. Er war Spieler-Trainer und so verbrachten wir Kinder die Wochenenden mehrheitlich auf dem Fussballplatz. Wenn du so viel von Fussball umgeben bist als Kind, dann hält die Liebe für immer – oder du willst gar nichts mehr damit zu tun haben. Ich habe mich sofort in den Fussball verliebt.

Claudia Gfeller, auch dich begleitet der Fussball seit deiner Kindheit. Auch wegen dem Einfluss der Eltern?

Gfeller: Ich habe schon früh meine ganze Freizeit beim Fussballspielen verbracht mit den Schulgspänli, meistens mit den Jungs. Erst als der FC Schlieren eine Frauenabteilung gründete und mein Vater das Traineramt übernahm, sah ich überhaupt die Option in einem Verein zu spielen. In dem Moment war ich noch zu jung, konnte dann erst zwei Jahre später zum Team stossen.  

Noch während eurer aktiven Zeit als Spielerinnen habt ihr euch als Trainerinnen engagiert. Das ist aussergewöhnlich.

Gfeller: Als ich angefangen habe, konnte man erst ab 14 Jahren Fussball spielen. Das war damals das Mindestalter. Zudem gab es keine Juniorinnen-Abteilung. So habe ich lange bei den Jungs mittrainiert – und später, als ich bei den Frauen gespielt habe, angefangen zuerst Junioren, dann Juniorinnen zu coachen. Ich war schon sehr jung Spieler-Trainerin.

Zbinden: Eine Arbeitskollegin suchte für ihren Freund, der Trainer bei den FCZ-Junioren war, eine Stellvertretung. Die Kollegin fragte mich an, und kurz darauf war ich für drei Wochen Trainerin bei den C-Junioren beim FC Zürich. Danach wurde ich vom FCZ angefragt, ob ich die C-Junioren fix übernehmen wolle. Ab diesem Zeitpunkt war ich leidenschaftliche Trainerin.

War es bei den Junioren ein Thema, dass sie von einer Frau trainiert werden?

Zbinden: Für die Jungs war es nie ein grosses Thema. Bei den Eltern hingegen schon. Vor 40 Jahren warst du als Frau eine Exotin am Spielfeldrand. Ich vergesse nie, wie ich das erste Mal die Junioren an ein Spiel begleitete. Sämtliche Väter waren am Spielfeldrand, ohne Ausnahme. Sie waren zum einen skeptisch, zum anderen natürlich neugierig. 

Gfeller: Ich habe es auch so erlebt, dass die Akzeptanz vor allem bei den Vätern zu Beginn fehlte. Die Jungs hingegen hatte grosse Freude. Ich hatte den Eindruck, dass sie sogar ein wenig stolz waren, von einer Frau trainiert zu werden.

Zbinden: Bei GC waren wir ein Frauen-Duo. Das war sehr hilfreich, wir fühlten uns bestärkt und haben uns gut ergänzt. Ich denke wir konnten den Jungs viel mitgeben – nicht nur was den Fussball angeht, sondern auch soziale Kompetenz. Das war mir immer wichtig. Das Geschlecht sollte eh keine Rolle spielen. Um ein guter Junioren-Coach zu sein, sind soziale Kompetenz und ein empathischer Umgang viel zentraler.

Der Job als Trainerinnen hat euch Spass gemacht, das spürt man. Was hat euch motiviert, so viele Jahre engagiert zu bleiben? 

Gfeller: Es ist einfach cool, die eigene Leidenschaft für den Fussball weiterzugeben. Mir gefällt es sehr, die Entwicklung bei den Spielerinnen und Spielern zu sehen. Und die jungen Menschen geben einem so viel zurück … 

Zbinden: Genau. Du übst eine Vorbildfunktion aus und kannst deine Werte vorleben und weitergeben. Die Arbeit mit den Junioren war eine unglaublich schöne Zeit, auch wenn es sehr streng war. Ich war als Spielerin noch in der A-Nati aktiv und reiste in der ganzen Schweiz herum. Nebenbei trainierte ich noch die Junioren. Ich hatte oft nur einen fussballfreien Tag in der Woche.

«Das Geschlecht sollte eh keine Rolle spielen. Um ein guter Coach zu sein sind soziale Kompetenz und ein empathischer Umgang viel zentraler.»

Rita Zbinden

Der Frauenanteil im Fussball beträgt in der Schweiz rund 15 Prozent. Nicht nur im Frauenfussball, sondern auch bei den Männern fehlen Coaches und Referees. Was sind die Schwierigkeiten bei der Rekrutierung von Schiedsrichterinnen?

Zbinden: Wir versuchen ständig, die richtigen Angebote zu finden. So wissen wir aus Erfahrung, dass viele Mädchen und Frauen gerne unter sich trainieren. Doch wenn wir frauenspezifische Angebote anbieten, haben wir Schwierigkeiten diese zu füllen. Und dann gibt es auch Frauen, die lieber mit den Männern trainieren.

Gfeller: Cool ist, wenn Frauen beide Angebote offenstehen – sei es bei der Ausbildung zum Coach oder zum Referee. Vielleicht möchte eine Schiedsrichterin zu Beginn in einem geschützteren Rahmen nur mit Frauen trainieren. Später kann sie die Weiterbildungen und Trainings immer noch in gemischten Teams weiterführen. So war es zu Beginn auch beim Mädchenfussball. Sie konnten sowohl in gemischten als auch in reinen Mädchenteams spielen.

Mit welchen Massnahmen gelingt es, dass Frauen Teil der Fussballwelt werden?

Zbinden: Vereine müssen ihren Horizont erweitern. Sie sollten bei Vakanzen im Umfeld explizit nach geeigneten Frauen suchen. Das können auch Frauen sein, die nicht direkt aus dem Fussball-Umfeld kommen.

Ihr habt unterschiedliche Aktionen und Initiativen lanciert, um den Mädchen- und Frauenfussball in der Region Zürich voranzutreiben. Welches war die erfolgreichste Initiative?

Gfeller: Vor sechs Jahren fasste der Vorstand des FVRZ einstimmig den Beschluss, sich für Mädchen- und Frauenfussball einzusetzen. Dem Verband war dieses Statement so viel wert, dass er Stellenprozente auf der Geschäftsstelle bewilligte. Das war für mich bisher das stärkste Zeichen.

Welches waren die unmittelbaren Auswirkungen?

Gfeller: Es kamen plötzlich viel mehr Personen auf mich zu, obwohl ich schon vorher im FVRZ für die Mädchen und Frauen zuständig gewesen war. Ich war die gleiche Person, habe mich für das gleiche Thema eingesetzt – doch nun wurden ich und meine Rolle als Leiterin Frauenfussball viel ernster genommen.

Zbinden: Zürich ist heute die Vorzeigeregion im Fussball für Mädchen und Frauen. An der letzten Delegiertenversammlung wurde einer Statutenänderung zugestimmt, um eine eigene Frauenabteilung aufzubauen. Das ist ein weiterer Quantensprung. Wir sind sehr daran interessiert, dass auch andere Regionen nachziehen. Dafür sind wir im Austausch und geben unsere Erfahrungen gerne weiter.

Rita, du hast es mit deinem Engagement im Fussball sehr weit gebracht. Heute bist du die einzige Präsidentin in allen 13 Regionalverbänden. Wie gehst du damit um?

Zbinden: Ich fühle mich als Teammitglied der Regionalverbänden sehr gut integriert und akzeptiert. Aufgrund meiner langjährigen Erfahrung als Vorstandsmitglied kann ich mein Fachwissen hilfreich einbringen. Aber ja, ich falle immer noch auf, weil ich auf dieser Stufe die einzige Präsidentin bin. Ich würde es begrüssen, wenn es mehr Frauen in den Vorständen gäbe, denn Frauen «ticken» anders als Männer, was ich durchaus als Ergänzung empfinde. 

Neben dem ehrenamtlichen Engagement habt ihr immer in verantwortungsvollen Jobs gearbeitet. Wie habt ihr das mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie hingekriegt?

Gfeller: Fussball hat mir immer viel Energie gegeben. Ich hatte zudem das Glück, dass meine Chefs mein Engagement im Fussball unterstützten.

Zbinden: Ohne Sport hat mir etwas gefehlt. Klar, es braucht viel Planung, ein sehr gutes Zeitmanagement. Doch das ist nicht nur im Fussball so. Ein grosses Plus ist die Unterstützung des Arbeitgebenden. Ich nehme heute immer häufiger wahr, dass dieser Support nicht mehr selbstverständlich ist, sogar abgenommen hat. Ich habe das Glück, dass ich auf familiäre Unterstützung und Verständnis zählen darf.

2025 findet die Women’s EURO in der Schweiz statt. Das wird dem Mädchen- und Frauenfussball punkto Sichtbarkeit nochmals einen Schub geben.

Gfeller: Das Thema Sichtbarkeit ist zentral. Der Frauenfussball hat viel zu bieten: Spielerisch gibt es tolle Partien, ausserdem haben wir sehr gute Schiedsrichterinnen und engagierte Trainerinnen. Diese Qualitäten müssen sichtbar werden. Mehr Sichtbarkeit wird dazu führen, dass der Fussball für Mädchen und Frauen selbstverständlicher wird. Darauf freue ich mich.

«Mehr Sichtbarkeit an der Women's EURO 2025 wird dazu führen, dass der Fussball für Mädchen und Frauen selbstverständlicher wird.»

Claudia Gfeller

Zbinden: Die WM in England 2022 hatte diesbezüglich einen sehr positiven Effekt. Sogar mein jüngerer Bruder, der dem Frauenfussball eher skeptisch gegenüberstand, war euphorisch. Er hat fast jedes Spiel geschaut – und war begeistert.

Was erhofft ihr euch 2025 von der Women's EURO 2025?

Zbinden: Ich erhoffe mir durch die Sichtbarkeit an der Heim-EM auch, dass die ewigen Vergleiche aufhören. In keiner anderen Sportart vergleichst du die Resultate der Frauen mit den Männern. Im Golf dürfen Frauen weiter vorne abschlagen als Männer. Beim Skifahren starten die Frauen weiter unten. Manchmal scheint mir, dass einzig im Fussball die Meinung herrscht, der Frauenfussball müssen eine Kopie sein vom Männerfussball. Ich habe mich immer dafür eingesetzt: Frauenfussball ist eine eigene Sportart. Auch wenn wir die Regeln teilen, es ist eine eigene Sportart.

Worauf freut ihr euch am meisten an der EM?

Gfeller: Es ist toll, dass alle davon sprechen, dass die Europameisterschaft in der Schweiz und in Zürich sein wird. Das Turnier ist für den Mädchen- und Frauenfussball eine grosse Chance. Ich erhoffe mir ein grosses Fussballfest.

Zbinden: Ich freue mich, wenn der Frauenfussball «normaler» wird. Dass Tschutten als Hobby für Mädchen Normalität wird. Ich freue mich selbstverständlich auch auf ein tolles Fussballfest – auch auf die vielen internationalen Teams. Auf Fussball auf hohem Niveau. Denn auch spielerisch ist sehr viel gelaufen in den letzten Jahren, das soll jede und jeder mitbekommen.

Vita Claudia Gfeller

In ihrem Stammverein, dem FC Schlieren, war sie von 1983 fast 20 Jahre lang fussballerisch aktiv – als Spielerin, Trainerin und Spieler-Trainerin (B-Diplom). Von 2004 bis 2012 war Claudia Gfeller im FVRZ-Vorstand aktiv. Gleichzeitig übernahm sie beim FVRZ die Abteilung Technik Frauen-/ Mädchenfussball und war seit 2018 Leiterin Projekt «Entwicklung Frauenfussball». Seit 2023 leitet die Kantonspolizistin auf der Geschäftsstelle die Abteilung Juniorinnen/Frauen beim FVRZ.

Vita Rita Zbinden

Rita Zbinden ist seit 2019 FVRZ- Präsidentin FVRZ und seit knapp 30 Jahren als Funktioniärin engagiert. Von 1993 bis 2008 war sie beim GCZ Junioren-Trainerin. Zuvor trainierte sie zehn Jahre lang die FCZ-Junioren. Fussball-Karriere: FC Münchenstein, DFC Spreitenbach, Blue Stars (NLA). Übername als Spielerin: «Turbo-Omi». Beruf: diplomierte Bankfachfrau.

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